Video zur Veranstaltung von Jan-Henrik Siemers    https://youtu.be/SxJZ3NMzey8

 

Bericht von Elke Almut Dieter zum Vortrag von Ralf Becker am 8. Juli 2021 zum Flaggentag in Braunschweig

Die aktuelle Friedenskrise - Wie bewältigen wir die Krisen der Menschheit ?

Wir leben in mehreren Krisen parallel: Die Klimakrise mit den exponentiell steigenden Temperaturen, die Migration, die Pandemie, der digitale Wandel und die Entwicklung Künstlicher Intelligenz, die uns wahrscheinlich zu der Einsicht in die Notwendigkeit der Kooperation führen wird, beschäftigen uns ebenso wie die Globalisierung und die damit verbundene soziale Schere.

Der Abstieg der USA und der Aufstieg Chinas verändern das bisherige Weltgefüge, ein Wandel, der als Krise empfunden wird und nicht ohne Konflikte abläuft. Um zukünftige Konflikte zu vermeiden, müssen sich Dinge verändern, müssen Probleme gelöst werden. Die wichtigsten Ziele der Veränderung sind in den Weltentwicklungszielen der UN-Charta festgehalten: No poverty, zero hunger, good health and wellbeing, quality education……. (https://unric.org/de/17ziele/ )
Das Weltgefüge ist im Wandel – gemeinsam müssen wir die zukünftige Welt gestalten. Die UNO gibt es seit 75 Jahren – eine wichtige Institution, die dafür sorgt, dass alle Staaten miteinander im Gespräch sind.

Das letzte Jahrhundert war geprägt von der kolonialen und von der westlichen Hegemonie. Der Kolonialismus des letzten und vorletzten Jahrhunderts wirkt als hegemonialer Anspruch nach: die Abhängigkeiten bestehen noch heute… z.B. Frankreich und Mali ; England und Libyen. Hegemonie - definiert als die zugedachte oder eingenommene Führungsrolle oder Priorität einer gesellschaftlichen Institution o.ä. in militärischen wirtschaftlichen, politischen, sozialen, religiösen oder kulturellen Angelegenheiten.  
                                       
Die westliche Hegemonie zeigt sich in der Weltwährung. In der Konferenz von Bretton Woods war der Dollar $ als Leitwährung festgelegt, inzwischen haben der € und der Yen auch eine tragende Rolle in der westlichen Hegemonie. Die westliche Hegemonie zeigt sich ebenso in der Verteilung der militärischen Stützpunkte der USA, der militärischen Stützpunkte Russlands und der militärischen Stützpunkte Chinas. Aus der Sicht Russlands (Folie 10) stellen die die westlichen Stützpunkte eine Bedrohung dar.

Es gab die Zeiten der Zusammenarbeit: Die Charta von Paris - die Beendigung des kalten Krieges und eine neue Kooperation zwischen Ost und West - hatte die Chance auf einen Neuanfang in Richtung Kooperation in Sachen Sicherheit. Der Anschluss der ehemaligen sowjetischen Randstaaten an die NATO und der Kriegseinsatz im Kosovo stärkte die westliche Hegemonie statt Kooperation. Russland litt unter dem Kapitalismus im eigenen Land > Milliardäre lebten auf Kosten der breiten Bevölkerung und zwangen zu rigorosen Maßnahmen.

Noch 2001 reicht Russland dem Westen die Hand: Putin spricht im Bundestag über einen gemeinsamen Aufbau des Hauses Europa, noch 2005 entscheiden die Staaten gemeinsam mit Russland über eine neue UNO-Regelung: Responsibility to Protect.

Der entscheidende Bruch kam durch das Eingreifen des Westens in Libyen. Der Aufstand gegen Gaddafi und der Bürgerkrieg in Libyen eskalierte, als es um die Entscheidung ging, in Libyen einzugreifen oder nicht. Russland und China hatten sich im Sicherheitsrat enthalten, wollten den Konflikt intern regeln. Frankreich als ehemalige Kolonialmacht hatte Interessen dort, drängte auf den Angriff durch die NATO. Russland empfand das als Verrat.


(In einem Text von Gerald A. Perreira heißt es: „Die Exekution von Muammar Gaddafi und jenen, die an seiner Seite kämpften, und die Zerstörung der libyschen Dschamahirija ist eines der größten Verbrechen dieses Jahrhunderts. Diejenige, die dafür verantwortlich sind wie Nicolas Sarkozy, Barack Obama, Hillary Clinton, David Cameron, King Salman bin Abdulaziz al-Saud und Emir Tamin bin Thani, müssen wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt werden. Es hatte sich eine gefährliche Koalition zusammengefunden aus halbfeudalen arabischen Regimen, Katar, VAE, Sudan mit zwielichtige Monarchisten und al-Kaida nahen Terroristen in Libyen. Sie arbeiteten mit dem CIA und MI5 seit Jahrzehnten zusammen, verbunden durch das gemeinsame Ziel. Für sie gab es nur ein Ziel: die totale Zerstörung.“[6])

                                                            
Russlands Traum von einem eurasischen Wirtschaftsraum wäre mit der Ukraine stark gewesen. Es hat ein ökonomisches Interesse an der Ukraine, einen eurasischen Wirtschaftsraum in Form einer Zollunion aufzubauen ( Folie 17)… . Seit `98 besteht ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit der EU. Die EU hat die Ukraine gedrängt, sich zwischen Russland und der EU zu entscheiden. Der Konflikt führte zur Gewalt, zu dem noch heute andauernden Bürgerkrieg.
                                                                    
2014 hat Putin "die Krim nach Russland geholt" (Wladimir Putin berichtete im Februar 2015, er selber hätte am Morgen des 23. Februar 2014 im Kreml wegen des zunehmenden Machtverlustes von Janukowytsch gegenüber seinen Mitarbeitern erklärt: „Wir müssen beginnen, die Krim zurück zu Russland zu holen“ Quelle: Wikipedia)
für ihn war die Friedensordnung aufgelöst. Das kam nach Beckers Meinung nicht überraschend – es war ein langer Prozess bis dahin. (Folie 18/19) Der Westen reagierte mit Sanktionen.

Am 22. Juni 2021, dem Jahrestag des Überfalls von Nazideutschland auf Russland erfolgt ein neues Angebot von Putin: sein Artikel in der überregionalen Zeitung „die Zeit“. Der betont, er sei weiterhin offen für einen eurasischen Wirtschaftsraum.

Fazit: Kooperation statt Konfrontation bringt die Welt mit ihren Krisen voran. Es gibt gute Beispiele: die global Goals der UNO, die für eine gemeinsame Weltinnenpolitik stehen: Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung sind politische Zielsetzungen der Vereinten Nationen, welche weltweit der Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auf ökonomischer, sozialer sowie ökologischer Ebene dienen sollen. Sie wurden in Anlehnung an den Entwicklungsprozess der Millenniums-Entwicklungsziele entworfen. (No Poverty, zero Hunger, good health and wellbeing, quality education…….) Seit 2016 arbeiten alle Länder daran, diese Ziel umzusetzen.

Am Beispiel der UN-Klimakonferenz in Paris zeigt Ralf Becker auf, dass eine Zusammenarbeit und gemeinsame Lösungen möglich sind. Die Sicherheitslogik muss zu einer Friedenslogik werden.

Sein zweites Beispiel: 2009 reicht Obama den Moslems die Hand zur gegenseitigen Achtung und Verständigung.                                              

Auf den Folien 24 - 28 zeigt Ralf Becker die Möglichkeiten der Kooperation auf wirtschaftlichem, auf militärischem und auf sozial-ökologischem Gebiet auf, zum Beispiel mit der Weltleitwährung „bancor“ wie sie von Keynes schon 1944 auf der Konferenz von Bretton Woods vorgeschlagen wurde. Auch der von der BRD 2004 ins Leben gerufenen Aktionsplan Zivile Krisenprävention ist ein gutes Beispiel. , ebenso die Zertifizierung von seltenen Erden in Afrika.… Das Positiv-Szenario von Sicherheit neu denken beinhaltet eine grundlegende Veränderung der heutigen Verhältnisse. Durch eine Veränderung der politischen Haltung in Richtung Kooperation und ziviler Krisenprävention können Krisen kooperativ bewältigt werden. Es basiert auf einer Kultur der Mediation, die wir heute schon geschaffen haben, auf dem Prinzip der Gleichheit und der Souveränität aller Völker, das in der UNO verkörpert ist. Diese Ansätze gilt es zu stärken und zu erweitern: Die kooperative Krisenbewältigung verlangt ein neues Verständnis von Global Government: die Stärkung der UN-Charta mit darin festgeschriebenen Zielen und Grundsätzen: Prinzipien der Gleichheit und Souveränität aller Völker und Staaten sowie die Berücksichtigung ihrer nationalen Besonderheiten statt Verabsolutierung westlicher Werte. Huntington. „Der Glaube an die Universalität der westlichen Welt krankt an drei Problemen: er ist falsch, er ist unmoralisch, er ist gefährlich.“
                                                                                    
Dass eine Politik der Krisenprävention erfolgreich ist, zeigen gelungene Beispiele für eine Konfliktbeilegung in Afrika , wo auch eine Friedensuniversität aufgebaut wurde, die Friedensfachkräfte für Afrika ausbildet. (Folien 33-35)
                                           
Der 20-jährige Militäreinsatz in Afghanistan dagegen ist gescheitert. Trotz erheblicher finanzieller Mittel und modern ausgerüsteter Armeen gab es keine Lösung der Probleme, stattdessen droht dem vom Krieg zerstörten Land ein Bürgerkrieg.

Ralf Becker weist auf aktuelle gesellschaftliche Polarisierungen in Deutschland hin und die Chance der Konfliktbewältigung durch ein Konfliktmanagement der Kommunen: Konkrete Hilfen durch bereits bestehende Einrichtungen wie auf der Folie 46 gezeigt.
Das Zitat von Rainer G. Hoffmann, DGB, „Was wir brauchen, ist ein grundlegendes Umdenken, .. ein erweitertes Sicherheitsverständnis.
                                             
Ein Sicherheitsverständnis, in dessen Mittelpunkt der sozialgerechte Übergang in eine klimaneutrale Wirtschaft steht, ein Sicherheitsverständnis, das auf soziale statt auf militärische Sicherheit setzt, das auf Konfliktvermeidung und Krisenprävention setzt und nicht immer neue Fluchtursachen erzeugt, …sondern Fluchtursachen bekämpft…  Das bedeutet auch, dass wir ein Vielfaches der heutigen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe brauchen – Abrüsten statt Aufrüsten, daran führt kein Weg vorbei.“
 
Geld aus dem Topf der militärischen Aufrüstung brauchen wir auch für eine bedarfsgerechte Finanzierung der UNO.


Es folgte eine anschließende Diskussion zu den Themen:

  • Hoffnung auf eine positive Veränderung
  • Dank für das Aufzeigen eines Weges zu einem positiven Ziel
  • Skepsis gegenüber der Machbarkeit
  • Diskussion um die Haltung der Kirchen
  • Kritik am Unterschätzen des Widerstandes der Wirtschaft




BZ-Beitrag zum Flaggentag