29.6.2020 Zum Thema Combattants for Peace

Der Annexionsplan der israelischen Regierung gefährdet den Frieden – Ein Aufruf zum Handeln


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Wir, die Combatants für Peace in Israel/Palästina (CfP) und ihre Freund*innen in Deutschland (Friends of CfP Germany), vereint in unserer Hoffnung auf einen wahren und dauerhaften Frieden zwischen Palästinenser*innen und Israelis, verurteilen auf das Schärfste den Plan, sich Teile der besetzten palästinensischen Gebiete im Westjordanland durch eine Annexion anzueignen. Diesen Plan haben Mitglieder der Israelischen Regierung schon mehrfach angekündigt. Dieser sogenannte Annexionsplan ist nicht nur selbst unakzeptabel, illegal und beschämend, sondern er ist von einer pessimistischen Vision geprägt und von Werten, die wir nicht teilen, weil sie aus unserer Sicht verwerflich sind. Dies gilt besonders für die Konsequenzen dieses Plans im Nahen Osten, die weit über die eigentliche politische Handlung, das eigentliche Aneignen, hinausgehen.

Weltweit haben schon viele zivilgesellschaftliche Organisationen die geplante Annexion kritisiert, ebenso wie Politiker*innen, weitere prominente Persönlichkeiten und auch israelische Sicherheitsexperten. Dabei haben sie besonders auf die Risiken der vielfältigen und unüberschaubaren Folgen hingewiesen. Vertreter*innen vieler Staaten aus der ganzen Welt haben den Plan bereits zurückgewiesen. Mit dem vorliegenden Aufruf zum Handeln bekräftigen wir diese Meinung.

Wir übergeben diesen Aufruf zum Handeln der Bundesregierung und dem Deutschen Bundestag. Damit schließen wir uns dem Aufruf an, den Combatants for Peace bereits an Heiko Maas, Bundesminister des Auswärtigen gerichtet hat (Juni 2020). Während seines kürzlichen Besuchs in Israel/Palästina und Jordanien hatte CfP darin die dringende Bitte formuliert, dass er sich dieser Aneignung durch Annexion in klaren Worten unüberhörbar entgegenstellen möge.

Combatants for Peace ist eine bi-nationale israelisch-palästinensische Grassroots Bewegung. Sie wurde 2006 gegründet und repräsentiert durch ihre gemeinsame und gewaltfreie Arbeit gegen die israelische Besatzung das genaue Gegenteil des Annexionsplans: die Möglichkeit eines gerechten Friedens, der auf gegenseitigen Vereinbarungen beruht, auf dem Respekt vor der Würde der beteiligten Menschen und auf gleichen Rechten für alle.

 

Ein gefährlicher und einseitiger Schritt

Wir lehnen die Absicht der Israelischen Regierung ab, eine weitere einseitige Entscheidung zu treffen, mit der sie internationales Recht ignoriert, die bereits bestehende Apartheid im Westjordanland noch weiter verschärft und einer weiteren Eskalation den Weg bereitet, sodass die Spirale von Gewalt und Blutvergießen zwischen Israelis und Palästinensern sich weiter dreht.

Es steht außer Frage, dass die erzwungene und einseitige Aneignung eines fremden Gebiets nach internationalem Recht nicht legal sein kann. Dasselbe gilt für jede länger andauernde Besetzung eines fremden Gebiets. Mit ihrer Absicht, durch einen Teil der besetzten Gebiete zu annektieren, zielt die israelische Regierung darauf ab, die israelische Herrschaft über das Westjordanland dauerhaft zu etablieren. Damit vereitelt sie jede Chance auf bilaterale und damit auch nachhaltige vertragliche Vereinbarungen zwischen israelischen und palästinensischen Entscheidungsträger*innen. Wir sollten nicht die Ansicht tolerieren, dass Israel das Recht haben könnte, die palästinensische Bevölkerung oder ihr Land zu beherrschen, ihr Befehle zu erteilen, Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg zu treffen und Gehorsam zu erzwingen, ohne sie angemessen zu beteiligen.

Combatants for Peace in Israel/Palästina strebt im Gegensatz dazu eine echte Partnerschaft zwischen Israelis und Palästinenser*innen an, die von den Menschen beider Seiten gleichberechtigt gestaltet wird. In dieser Partnerschaft wollen sie gemeinsam einen Weg finden in Gleichheit neben und miteinander leben zu können. Ungeachtet der zur Zeit ungleichen Erfahrungen von Leid und Unterdrückung vereint Israelis und Palästinenser*innen ihre Verzweiflung über ihre Verluste, ihre Trauer und ihre tiefe Hoffnung auf ein gerechten Frieden. Wir glauben, dass nur ein Dialog auf Augenhöhe, in gegenseitigem Respekt und mit der Bereitschaft zum Zuhören (unter Anerkennung der ungleichen Machtverhältnisse), den Konflikt lösen und wirkliche Gleichheit herstellen kann. Dies könnte nach unserer Ansicht die Voraussetzungen für einen nachhaltigen Frieden schaffen.


Ein weiterer Akt der Diskriminierung

Wenn sie wirklich durchgeführt wird, ist jede Form der Annexion eine neue und möglicherweise irreversible Maßnahme in der gegenwärtigen Politik der Diskriminierung, die von den israelischen Behörden, der Armee, der Polizei und anderen Exekutivorganen verfolgt wird, im Westjordanland, in Ost-Jerusalem und im Gaza-Streifen. Die Maßnahme wäre ein weiterer Akt der systematischen Diskriminierung und sie würde der palästinensischen Bevölkerung noch mehr Rechte vorenthalten und entziehen als bisher. In den besetzten Gebieten würde der Anschluss an Israel die Apartheidsituation noch weiter verschärfen gegenüber den Verhältnissen, die die Palästinenser*innen bereits heute ertragen müssen. Egal was am 1. Juli tatsächlich passiert: die menschenverachtenden Einschränkungen, denen Palästinenser*innen im Westjordanland, Ost-Jerusalem und Gaza bisher unterworfen waren, müssen jetzt, nach 53 Jahren unter israelischer Besatzung, endlich enden, ohne Wenn und Aber.


Gegen das nationale Interesse von Israel


Wir sind überzeugt davon, dass der Annexionsplan auch für Israelis nichts Gutes enthält. Im Nahen Osten kann jeder Schritt in Richtung einer Annexion den Friedensvertrag gefährden, den Jordanien und Israel 1994 unterzeichnet haben. Die Repräsentant*innen des Königreichs Jordanien haben Israel ausdrücklich vor einer Annektierung gewarnt. Am 19. Mai 2020 hat die Palästinensische Autonomiebehörde bereits alle Verträge und Vereinbarungen, die bisher mit Israel und den Vereinigten Staaten von Amerika unterzeichnet worden sind, aufgekündigt, einschließlich der Vereinbarungen zur Zusammenarbeit bei Sicherheitsfragen und anderer Vereinbarungen aus dem Oslo-Abkommen von 1993.

Zusammenfassend denken wir, dass ein Volk, das ein anderes unterdrückt, auch selbst nicht frei sein kann. Die Israelis unter den Combatants for Peace lehnen grundsätzlich die Ansicht ab, die Schärfe ihres Schwertes sichere ihre Existenz in Israel. Stattdessen denken sie, dass eine solche Sichtweise sie dazu verdammt, mit ständigen Krisen und Kriegen zu leben.

Sie wollen keine Besatzer*innen sein.

 

Unsere Forderungen

Auf diesen Positionen aufbauend wenden wir uns, Combatants for Peace in Israel/Palästina und Friends of Combatans for Peace Germany, an die Deutsche Bundesregierung mit der Bitte, eine führende Rolle gegen die Annektierung einzunehmen und jede Eskalation von Gewalt im Nahen Osten abzuwenden. Wir fordern die Bundesregierung auf, ein aktiver Partner in einem echten Friedensprozess zu werden, an dem Palästinenser*innen und Israelis beteiligt sind. Wir erkennen dankbar an, dass das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) jährliche Budgets für Projekte im Zivilen Friedensdienst bereitstellt, doch gleichzeitig bitten wir alle Beteiligten dringend darum, sich an ihre Pflicht zu erinnern, dass sie die Grundlagen des internationalen Rechts respektieren. Daher appellieren wir an alle deutschen Regierungsstellen, im Einklang mit der Erklärung zu handeln, die der Hohe Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Josep Borrell am 18. Mai 2020 abgegeben hat. Bitte nutzen Sie den zeitgleichen Vorsitz Deutschlands im Rat der Europäischen Union und im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, also die beiden wichtigen Funktionen, die Deutschland im Juli 2020 gleichzeitig innehat, um eine Resolution des UN Sicherheitsrates zu bewirken, die Israels Absicht verurteilt, sich Teile der besetzten palästinensischen Gebiete im Westjordanland durch Annexion anzueignen, verbunden mit der gemeinsamen Festlegung, spürbare Sanktionen zu verhängen, falls tatsächlich eine Aneignung erfolgt.

Unabhängig von diesen internationalen Maßnahmen können wir uns auch nicht mehr vorstellen, dass das Handelsabkommen zwischen der EU und Israel bei einer Aneignung palästinensischer Gebiete durch Israel unverändert aufrechterhalten werden kann. Die Resolution 2334 des UN Sicherheitsrates wurde (bis auf die Enthaltung der von Präsident Trump geführten USA) 14:0 einstimmig, d.h. ohne Gegenstimmen getroffen und fordert alle Staaten auf, in ihren Verträgen zwischen dem Gebiet von Israel und den seit 1967 besetzten Gebieten zu unterscheiden. Abschließend fordern wir die Deutsche Bundesregierung und den Deutschen Bundestag auf, sowohl die Idee eines Anschlusses durch Annexion aktiv abzulehnen, ebenso wie die schon lange andauernde Besatzung palästinensischer Gebiete. Wir wünschen uns, dass die Bundesregierung und der Deutschen Bundestag auch weiterhin verlässliche Partner*innen bleiben, für unser Bestreben, erneut einen Dialog für einen gerechten Frieden zwischen Palästinenser*innen und Israelis entstehen zu lassen."
 


"Sagt nicht, Ihr hättet nichts gewusst" - von Jüdische Stimme

"Einige Anmerkungen zu den geplanten Annexionen der israelischen Regierung" - von Burkhard Jäger (Zur aktuellen politischen Lage in Israel - Teil1)
"Zum Text von Burkhard Jäger" - Antwort von Ingeborg Gerlach (Zur aktuellen politischen Lage in Israel - Teil2)
"Rolle Deutschlands" - Kommentar von Angela Vorwerk (Zur aktuellen politischen Lage in Israel - Teil3)
"Erklärung von IALANA" - IALANA (Zur aktuellen politischen Lage in Israel - Teil4)