Stellungnahme des Friedenszentrums, 17.08.2014
Da schleicht auf leisen Sohlen als Harmlosigkeit getarnt eine große Ungeheuerlichkeit in die Braunschweiger Öffentlichkeit: Eine Kaserne wird entbehrlich - nicht mehr gebraucht, das Gelände als neues Wohngebiet umgewidmet, bauwilligen jungen Braunschweiger Familien verkauft und als kleines Schmankerl beschließt der Stadtrat bereits 2010, dass die "Gedenk-Steine" der Bundeswehr, die früher auf dem Gelände der Heinrich-der-Löwe-Kaserne standen, einen neuen Platz in der Gemeinde Rautheim finden. Ein Rasenplatz neben der Straße Möncheweg gegenüber dem Kindergarten wird als "Anlage" entsprechend gestaltet und gibt Raum für Ruhebänke und die unterzubringenden "Steine".
Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich diese Harmlosigkeit als eine Ungeheuerlichkeit. Neben den Findlingen, die kollektiv den "gefallenen Kameraden der 13. Panzerdivision", den namentlich aufgeführten Toten verschiedener Panzerdivisionen und früheren Regimentern ein Denkmal setzen sollen, gibt es einen Gedenkstein, der dem Andenken preußischer Traditionsverbände gewidmet ist. Hier geht es nicht nur um eine Ehrung von im Krieg getöteten Soldaten, sondern auch um die Verherrlichung von Divisionen mit höchst umstrittenen Kriegseinsätzen. Die Schutztruppe Deutsch-SüdWest hat in Afrika vor 100 Jahren den Kolonialismus militärisch gesichert, die Hereros in die Wüste getrieben und sie dort dem sicheren Tod ausgesetzt. Das Braunschweigische Infanterieregiment Nr. 92 hat im August 1914 mindestens eine ganze Straße der Stadt Roselies im neutralen Belgien niedergebrannt. Der Bericht von Karl Fr. Eckhardt im ‚Braunschweig Spiegel' zeigt, dass der Name Roselies für ein hinterhältiges Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit steht. Die 1938 eingeweihte Kaserne wurde von den Nationalsozialisten "Roselies" genannt, der Stolz auf den "Sieg" der Braunschweiger Soldaten sollte für zukünftige Kriege genutzt werden. Es gibt eine Kontinuität vom Massaker in Roselies zum geplanten Vernichtungskrieg.
Diesen Namen weiter zu verwenden für ein Wohngebiet und sogar für einen Kindergarten, ist menschenverachtend. Der Name muss ersetzt werden, könnte aber an anderer Stelle z.B. an einer Gedenktafel wieder im historischen Zusammenhang genannt und dort angemessen bedacht werden.
Dass Braunschweig als wichtige Garnisonsstadt 14 Kasernen beherbergte, ist ein Teil unserer Vergangenheit. Für die Gegenwart ist es unerträglich, preußische und braunschweigische Traditionsverbände mit einem solchen ‚Ehrenhain' kritiklos zu ehren.
Dringend erforderlich ist die Aufstellung der längst beschlossenen kritischen Tafel. Die Stadt Braunschweig sollte zu der Stadt Roselies Kontakt aufnehmen und sich nach 100 Jahren endlich zu ihrer Verantwortung bekennen. Die Menschen nicht zu vergessen, deren Leben im Krieg vernichtet wurde, muss ein fester Bestandteil unserer Erinnerungskultur bleiben. Problematisch ist die Verwischung von Tätern und Opfern. Der Kölner Historiker Jost Düffler urteilt über die Zeit nach 1945: "Die Formel der Opfer von Krieg und Gewalt ebnete ein, wo historische Differenzierung angesagt war."
Wachsamkeit der Bürger gegenüber der Beschwörung des Militärischen ist angesagt nicht nur hier in Braunschweig, sondern auch bei der Diskussion um das zentrale Ehrenmal der Bundeswehr in Berlin. Wir brauchen eine neue Gestaltung von "Denk-Malen", die über alte Gräben hinweg unmissverständlich für das Ja zum Leben stehen: für die Verhütung von Blutvergießn und Krieg, für die Verweigerung unmenschlicher Befehle, für Zivilcourage und Gewaltfreiheit.
Das Friedenszentrum Braunschweig hat das Ziel, zu einer alternativen Erinnerungskultur und zu einer aktiven Friedenspolitik beizutragen: Gewaltprävention, zivile Konfliktbearbeitung, Friedenslogik statt Sicherheitslogik. Mit Militär und "Sicherheitspolitik" kann kein dauerhafter Frieden erreicht werden, oberstes Ziel der Politik muss der Frieden sein.