Vortrag von Prof. Roth am 15.03.2012 zu Mutbürger und Bürgerinitiativen: Es war eine Ermutigung!:

Das Friedenszentrum e.V. Braunschweig feiert derzeit sein fünfundzwanzigjähriges Jubiläum und hatte aus diesem Anlass Professor Roland Roth (Hochschule Magdeburg / DESI-Institut, Berlin) zu einem Vortrag "Mutbürger – Bürgerinitiativen in der parlamentarischen Demokratie" eingeladen. Es war brechend voll im Speicher der Alten Waage an diesem 15. März 2012 bei dieser 105. Veranstaltung in der Reihe "Wege zu einer Kultur des Friedens".

Roth hatte in seinem im vergangenen Jahr erschienenen Buch über "Bürgermacht" (Edition Körber-Stiftung), die These gewagt, dass wir uns in einer "vorrevolutionären" Situation befinden.

Er unterstützte sie mit statistischen Belegen, aus denen die Unzufriedenheit eines Großteils der Bevölkerung hervorging. Früher seien es nur, die Jungen gewesen, die der etablierten Politik nicht mehr die Fähigkeit zusprächen, die gegenwärtigen Probleme zu lösen, Heute sei es eine Mehrheit der gesamten Bevölkerung. Und in zunehmendem Maße teile auch die politische Klasse diese katastrophale Einschätzung. Gleichzeitig verlangten 81% der Bevölkerung nach mehr Mitsprache. "Nicht für und nichts ohne uns", laute die Parole.

Roth nannte eine Reihe bereits vorhandene Formen der Beteiligung vor allem im kommunalen Raum. Er verwies auf den "Bürgerhaushalt" (den echten, nicht den, der die Bürgern nur die Freiheit zum Sparen gibt). Die Kommunen müssten deutlich signalisieren, dass Bürgerbeteiligung erwünscht sei und den Initiativen auch die nötigen Mittel zur Verfügung stellen. Parteien würde gefördert, warum nicht auch Initiativen? Er verwies auf Baden-Württemberg, wo es seit der letzten Landtagswahl eine Staatsrätin mit der Zuständigkeit für Initiativen und Partizipation gibt. In manchen Orten gehörten Bürgerbefragung und "Audits" (Anhörungen) zum politischen Alltag. In Nürtingen habe man den Initiativen sogar Räume im Rathaus, das jetzt Bürgerhaus heißt, eingeräumt

Alles in allem war es ein recht optimistisches Bild, das Roth von der politischen Situation entwarf. Auch die neuen sozialen Bewegungen, die Piraten, Occupy und andere, bewertete er sehr positiv: Die Radikalität der Jungen hebe sich erfrischend von der politischen Routine der Parteien ab (die neben Verwaltungen und Unternehmen noch zu den Hauptgegnern der Bürgerinitiativen gehörten). Roth setzt auf Bürgermut und Empowerment (=Ermutigung) derer, die (noch) nicht die Courage zum Sprechen haben. Er lobte die Braunschweiger wegen ihres vielfältigen und unermüdlichen Engagements. Besonderes hob er "Unser Braunschweig", die Zeitung der Bürgerinitiativen, hervor, die ihm bereits, wie er sagte, vor zwei Jahren auf einem Demokratiekongress, aufgefallen war. Braunschweig solle so weitermachen.

Ingeborg Gerlach