Unter diesem Titel steht ein Gastkommentar des früheren israelischen Staatssekretärs im Außenministerium Alon Liel in der "Frankfurter Rundschau" vom 24. März 2012. Er stellt fest, dass der Vorwurf der Apartheid Israel gegenüber zwar nicht zutreffe, weil Israel seinen Bürgern gesellschaftliche und politische Rechte einräume – im Gegensatz zum früheren Südafrika. Dennoch verfolge der Vorwurf der Apartheid Israel aus zwei Gründen.

Der eine sei die konsequente Missachtung der Palästinenser: "In vielen Teilen der Welt herrscht das Gefühl, dass Israel den Palästinensern nicht nur ihre nationalen Grundrechte vorenthält, sondern ihnen ihre Ehre, ihre Würde und selbst ihr Narrativ raubt. So als ob die Palästinenser für die Israelis im Wortsinne nicht zählten." Liel folgert daraus: "Eine Gemeinschaft, die getreten und gedemütigt wird, ist eine Gemeinschaft, der die Achtung versagt wird. Und mit so einer Gemeinschaft ist es unmöglich, irgendeine Art von Verständigung zu erreichen."

Der zweite Grund ist das schrittweise Scheitern der Zwei-Staaten-Lösung. Selbst viele Unterstützer eines palästinensischen Staates glaubten, dass es gar nicht mehr möglich sein werde, sie zu erreichen. Wenn es aber zu keiner Zwei-Staaten-Lösung komme, dann werde der Vorwurf der Apartheid erst recht virulent, und die Welt werde immer deutlicher nach den individuellen und kollektiven Rechten der Palästinenser fragen.

Doch in Israel wage man es gar nicht mehr, diese Fragen zu stellen. Daher sorgten sich in aller Welt immer mehr Menschen um Israel. Alle, die Israel liebten, seien aufgerufen, diese Fragen zu stellen. Liel schließt mit einem nachdrücklichen Appell: "Es ist an der Zeit für uns alle, sowohl in Israel wie im Ausland, eine ehrliche Diskussion über Israels lang angelegte Politik zu beginnen, bevor das Land genau wie einst das Apartheid-Südafrika in den Abgrund stürzt."


Ingeborg Gerlach

Alon Liel: "Die Würde der Anderen" auf FR-online.de