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21.10.2010

Im Januar sprach Daniel Gottschalk, der an der Braunschweiger TU u.a. Politikwissenschaft studiert und momentan Teilzeitmitarbeiter des Friedenszentrums ist, in unserer Reihe WEGE ZU EINER KULTUR DES FRIEDENS im restlos überfüllten VHS-Saal über den Zustand der Vereinten Nationen. Mit solch einem Andrang hatte Moderatorin Gudula Wegmann nicht gerechnet.

Daniel warf zu Beginn einen Blick auf ihren Vorgänger "Völkerbund" mit seinen vielen Defiziten. Er wurde am 28. April 1919 von der Vollversammlung der Friedenskonferenz von Versailles auf Anregung von US-Präsident Woodrow Wilson gegründet. Die USA traten aber dann gar nicht bei und Nazi-Deutschland trat schon 1933 wieder aus. Mehrere Okkupationen ließ der Völkerbund einfach geschehen. Im Anschluss an seinen Lehrer Prof. Ulrich Menzel hob Daniel die bloß idealistische Vorgehensweise hervor, an der der Völkerbund auch recht bald wieder zerschellen musste.

Nach Menzels Theorie ist der Ansatz der United Nations 1945 als realistischer zu bezeichnen. Bisher sind 193 Staaten Mitglied. Aber besonders die UdSSR und die USA haben die Arbeit des Sicherheitsrats durch viele Vetos behindert. Das Vertrauen ist inzwischen gewachsen und die UN haben sich auf den untersten Ebenen schon ein wenig den Nichtregierungsorganisationen (NGO) geöffnet. Jedoch gilt trotz etlicher erfolgreicher Friedensmissionen der UN immer noch, dass sie oft gelähmt sind oder zu spät eingreifen. So zum Beispiel in Ruanda und Sudan.

Es dauert sehr lange, bis der Sicherheitsrat den "Bruch des Friedens" in einem Land feststellt. Und es gibt Zögern, weil der Eingriff in "die Inneren Angelegenheiten eines Staates" nicht von allen Ländern akzeptiert wird, selbst wenn dort  Völkermord stattfindet. Nun gibt es seit den Kriegsverbrecherprozessen in Nürnberg nach dem Zweiten Weltkrieg eine Weiterentwicklung des Völkerrechts. Neu strafbare Tatbestände wurden verankert: Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen - bei denen die Völkergemeinschaft eigentlich eingreifen muss. Daniel schlug vor eine Parlamentarische Versammlung zu schaffen, die die Regierungsentscheidungen auf UN-Ebene besser kontrollieren und befruchten könnte.

In der sehr angeregten und vertiefenden Diskussion wurde betont, dass die Erklärung der Menschenrechte, die Internationalen Pakte über bürgerliche und politische Rechte, über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und 32 Konventionen dazugekommen sind. Darunter z. B. die Kinderrechtskonvention, die Klimarahmenkonvention, die Konvention über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen. Diese sind zum großen Teil von NGOs vorangetrieben worden. So ist auch die Unzufriedenheit mit den UN weiterhin groß. Für die Reform des Sicherheitsrats gibt es viele Vorschläge. Einigen TeilnehmerInnen war gar nicht klar, dass Deutschland schon drei mal nichtständiges Mitglied gewesen ist. Allerdings ist seine Bewerbung um einen Ständigen und damit Veto-Sitz hoffnungslos, weil bisher Afrika gar nicht und Asien kaum vertreten sind.

Richtig ist, die Regierungen bei den UN nicht sich selbst zu überlassen. Selbst wenn die allgemeine Korruption noch nicht allzu weit in die UN eingedrungen ist, erwarten wir doch erst recht alle eine zügigere und bessere Handlungsweise der UN-Verantwortlichen und strukturelle Reformen. Hierfür sind die NGOs unabdingbar. Einige haben sich als kompetente Whistleblowers erwiesen, Gruppen oder Individuen also, die rechtzeitig Konflikte "melden". Das Friedenszentrum betrachtet sich als eine aktive NGO, die mithelfen will rechtzeitig auf Konflikte aufmerksam zu machen und Lösungsvorschläge zu verbreiten.


Frieder Schöbel